Wie der Bundesgerichtshof laut Pressemitteilung am 19.04.2018 entschieden hat, verstößt das Angebot des Werbeblockerprogramms „AdBlock Plus“ nicht gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Gegenstand der rechtlichen Beurteilung waren im Wesentlichen zwei Funktionen des Computerprogramms der Beklagten: 1. die sog. Blacklist-Funktion, mit der Werbung auf Internetseiten im Browser grundsätzlich unterdrückt werden kann und 2. die sog. Whitelist-Funktion, mittels derer Webseitenbetreiber sich (in der Regel gegen Zahlung eines Entgelts) von der Blacklist wiederum ausnehmen lassen können.
Die Vorinstanz (OLG Köln, Urteil vom 24. Juni 2016 – 6 U 149/15) hatte hierzu entschieden, dass die Blacklist-Funktion zwar nicht zu beanstanden sei, dem klagenden Verlagshaus wegen der Whitelist-Funktion jedoch einen Unterlassungsanspruch zugebilligt.
Hinsichtlich der Blacklist-Funktion schloss sich der BGH der Vorinstanz an: Es liege insbesondere keine gezielte Behinderung von Mitbewerbern im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG vor, da die Beklagte nicht unmittelbar auf die von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen einwirke. Denn der Einsatz des Programms liegt in der autonomen Entscheidung der Internetnutzer. Die gleichwohl mittelbare Beeinträchtigung des Angebots der Klägerin sei ebenfalls nicht unlauter. Denn zum einen würden keine gegen Werbeblocker gerichteten Schutzvorkehrungen der Klägerin umgangen. Zum anderen sei der Klägerin nach Abwägung der betroffenen Interessen (insbes. Pressefreiheit) zumutbar und möglich, Abwehrmaßnahmen zu ergreifen. Dazu gehöre etwa das Aussperren von Nutzern, die nicht bereit sind, auf den Einsatz des Werbeblockers zu verzichten. Es liege auch keine allgemeine Marktbehinderung vor.
Aber auch in der Whitelist-Funktion sah der BGH kein unlauteres Handeln im Sinne des UWG: Das Angebot des Werbeblockers stelle insbesondere keine sog. aggressive geschäftliche Handlung gemäß § 4a UWG gegenüber solchen Unternehmen dar, die an der Schaltung von Werbung auf den Internetseiten der Klägerin interessiert sind. Es fehle an einer unzulässigen Beeinflussung dieser potentiellen Werbepartner, weil die Beklagte eine etwaige Machtposition jedenfalls nicht in einer Weise ausnutzte, die die Fähigkeit der potentiellen Werbepartner zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.
Anmerkung:
Die ausführliche Urteils-Begründung hinsichtlich der „Whitelist-Funktion“ dürfte mit einiger Spannung erwartet werden. Die Pressemitteilung beschränkt sich insoweit mehr oder weniger auf eine abschlägige Bescheidung und den Gesetzeswortlaut.
Das OLG Köln hatte sein Entscheidung demgegenüber bspw. im Hinblick auf eine Machtposition des Adblockers aufgrund der Einnahme einer sog. „Gatekeeper“-Position ausführlich begründet und angenommen, dass die Beklagte ein „Hindernis nichtvertraglicher Art“ begründe, welches die „Ausübung vertraglicher Rechte“ gegenüber den Werbepartnern behindere (§ 4a Abs. 2 Nr. 4 UWG).
Die Pressemitteilung des BGH deutet darauf hin, dass der BGH die Frage des Bestehens einer Machtposition offenlassen will („etwaig zukommende Machtposition“). Für die Ablehnung eines unlauteren Verhaltens der Beklagte könnte sprechen, dass die Entscheidungsfreiheit potentieller Werbepartner eigentlich nicht lediglich eingeschränkt, sondern von vornherein sozusagen in die ökonomisch einzig sinnvolle Richtung gelenkt wird. Solange rational-sinnvolle Entscheidung getroffen werden können, greift § 4a UWG seinem Sinn und Zweck nach aber nicht ein.
Gleichwohl lässt sich eine gewisse Drucksituation sowohl für Webseitenbetreiber, als auch Werbetreibende nicht leugnen. Denn klar ist, dass Werbetreibende keine Werbung auf solchen Webseiten schalten werden, die sich nicht in der Whitelist des „Adblock Plus“ befinden. Sie sind folglich nicht vollständig frei, in der Wahl ihrer Geschäftspartner. Sie werden vielmehr nur solche Webseitenbetreiber beauftragen, die entweder zu klein sind, um für die Blacklist der Beklagten interessant zu sein oder solche, die gewillt und groß genug sind, um die Whitelist-Funktion der Beklagten in Anspruch zu nehmen.
(Beitrag von Rechtsanwalt Jan Ehlers)
Update am 19.10.2018
Die Entscheidungsgründe des BGH liegen nunmehr vor. Das vollständige Urteil kann hier abgerufen werden.